Psychosoziale Beratung - was bedeutet das?
Psychosoziale Beratung bietet einen wertvollen Beitrag zur psychischen Gesundheit des Menschen. Sie unterstützt präventiv oder auch ergänzend zu einer Therapie das individuelle Wohlbefinden des Menschen. Genaueres zum Begriff findest du auch bei der SGfB (Schweizerische Gesellschaft für Beratung).
Dabei gibt es nur ein Problem: Prävention ist schrecklich unsexy
Ein oft vernachlässigter Aspekt unserer Gesellschaft ist das Thema Prävention – sie gilt leider als wenig attraktiv. Häufig richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Gesundheit erst, wenn bereits eine Krankheit oder sogar eine offizielle Diagnose vorliegt. Zuvor begegnen uns häufig Aussagen wie „Stell dich nicht so an“ oder „Reiss dich zusammen“. Dabei ignorieren wir oft das zentrale Bedürfnis nach ganzheitlichem Wohlbefinden.
Selbstverständlich entscheidet jeder für sich, wann und welche Unterstützung er in Anspruch nehmen möchte. Doch wenn wir das Bewusstsein für unser Wohlbefinden erst mit einer Diagnose verknüpfen, geben wir ein großes Mass an Eigenverantwortung und Selbstbestimmung aus der Hand – beides essenzielle Faktoren für ein gesundes und erfülltes Leben.
Langfristige Vernachlässigung der Selbstfürsorge führt häufig zu ernsthaften psychischen oder körperlichen Erkrankungen, deren Heilung mühsam und langwierig sein kann. Daher ist es entscheidend, den Wert von Prävention zu erkennen und rechtzeitig zu handeln, um nachhaltiges Wohlbefinden zu fördern.
Unterschied Beartung & Therapie
Wann brauche ich eine Beratung und wann eine Therapie? Diese Frage wird mir berechtigterweise oft gestellt, denn unser Gesundheitssystem ist in dieser Hinsicht leider nur wenig transparent. Sowohl Psychotherapie als auch psychosoziale Beratung bieten Menschen Unterstützung in herausfordernden Lebenssituationen. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede in ihren Ansätzen, Zielen und Methoden.
Psychotherapie richtet sich primär an Menschen, die unter psychischen Erkrankungen oder tiefgreifenden emotionalen Störungen leiden. Sie wird von speziell ausgebildeten und approbierten Therapeut:innen durchgeführt, die mit anerkannten Therapiemethoden arbeiten. Das Ziel der Psychotherapie ist es, tief verwurzelte, oft unbewusste Konflikte und Muster zu erkennen und zu bearbeiten, um eine langfristige Heilung oder Linderung der Symptome zu erreichen. Dabei wird in der Regel über einen längeren Zeitraum in regelmässigen Sitzungen gearbeitet.
Psychosoziale Beratung hingegen richtet sich an Menschen, die Unterstützung bei aktuellen Lebensproblemen benötigen. Sie bietet Orientierung und Unterstützung bei Herausforderungen, die zum Beispiel durch Stress, Beziehungsprobleme, berufliche Veränderungen, Verluste oder andere belastende Situationen entstehen. Im Unterschied zur Psychotherapie liegt der Schwerpunkt hier auf der Stärkung der eigenen Ressourcen und der Entwicklung von Lösungsstrategien, um akute Belastungen zu bewältigen. Die Beratung ist in der Regel kürzer und zielorientierter und richtet sich nicht primär an Menschen mit psychischen Erkrankungen, sondern an Personen, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden und Unterstützung im Umgang mit diesen suchen. Je nach Schwerpunkt der Ausbildung, arbeiten auch Psychosoziale Berater mit tiefenpsychologischen Methoden (z.B. Adlerianische Psychologie) und sind daher in der Lage, gemeinsam mit dem Klienten unbewusste Verhaltensmuster zu erkennen und dadurch die Handlungsmöglichkeiten der Klienten zu erweitern (Persönlichkeitsentwicklung). Alledings, wie zuvor erwähnt, nur soweit, wie keine tieferliegende Erkrankung dahinter steckt.
Psychosoziale Beratung ersetzt also keine Psychotherapie, allerdings kann sie die Angebote meiner psychotherapeutisch und ärztlich tätigen Kolleg:innen ganz wunderbar ergänzen.
Doch was ist, wenn der Fall nicht so klar ist?
In unserer Gesellschaft herrscht noch immer eine geringe Sensibilisierung für mentale Gesundheit, und das Thema ist oft tabuisiert. Dadurch neigen wir Menschen schnell dazu zu glauben, „etwas stimme nicht mit uns“, wenn wir das Gefühl haben, nicht der vermeintlichen Norm zu entsprechen. Doch die Wahrheit ist: Es gibt keine Norm. Jeder Mensch ist einzigartig, ebenso wie seine Herausforderungen, und nicht jede psychische Belastung basiert auf einer zugrunde liegenden Erkrankung.
Sollte während unserer Beratung dennoch der Verdacht aufkommen, dass mehr dahinter stecken könnte, sind wir psychosozialen Berater:innen darin geschult zu erkennen, wo unsere beraterischen Grenzen liegen und wann es notwendig ist, dass unsere Klienten, eine geeignetere Fachperson für sich finden.
Und was ist der Unterschied zum Coaching? Beratung und Coaching sind nicht dasselbe, gehen aber Hand in Hand - beziehungsweise haben sie einige Berührungspunkte. Primär ist Coaching eine Prozessbegleitung und keine Fachberatung. Wie im Coaching, ist es aber auch in der Beratung unser Ziel, den Klienten oder die Klientin dazu zu befähigen, eigene Lösungen zu finden. Im Vergleich zum Coaching nimmt Beratung allerdings noch eine zusätzlche, direktive Position ein. Das heisst, in der Beatung werden konkrete Interventionsmöglichkeiten angeboten, mit dem Ziel den Klienten darin zu untersützten seine Handlungsmöglichkeiten flexibler zu gesltalten und das eigene Verhalten zu erweitern.
Die Vorteile Psychosozialer Beratung
Die psychosoziale Beratung bietet Klienten zahlreiche Vorteile, die über die reine Problemlösung hinausgehen. Sie zielt darauf ab, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Klienten zu verbessern, indem sie ihnen hilft, ihre emotionalen, sozialen und psychologischen Herausforderungen zu bewältigen. Hier sind einige der Hauptvorzüge:
1. Ganzheitlicher Ansatz
Die psychosoziale Beratung betrachtet den Menschen in seiner Gesamtheit. Sie hilft Klienten, nicht nur mit spezifischen Problemen umzugehen, sondern unterstützt sie dabei, ihr Leben ganzheitlich zu betrachten und positive Veränderungen in mehreren Lebensbereichen zu erzielen.
2. Unterstützung bei der Krisenbewältigung
Die Beratung hilft Klienten, mit akuten Lebenskrisen umzugehen – sei es in der Familie, am Arbeitsplatz oder im persönlichen Leben. Sie bietet Orientierung und Unterstützung, wenn sich Klienten in schwierigen oder überfordernden Situationen befinden.
3. Erleichterung der Entscheidungsfindung
Die Beratung bietet einen sicheren Raum für Selbstreflexion, in dem Klienten ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen erkunden können. Dies kann ihnen helfen, klarere Entscheidungen zu treffen und ihre Ziele zu definieren. Ausserdem werden Klienten dazu ermutigt, Verantwortung für ihr Leben und ihre Entscheidungen zu übernehmen. Dies fördert ihre Autonomie und stärkt das Selbstbewusstsein.
4. Unterstützung bei der Bewältigung von Stress und Überlastung
Stressmanagement: Psychosoziale Beratung kann Klienten helfen, effektive Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln. Sie lernen, mit Belastungen im Alltag besser umzugehen und ihre psychische Gesundheit zu stärken.
Förderung von Resilienz: Psychosoziale Beratung stärkt die Widerstandsfähigkeit der Klienten, sodass sie zukünftige Krisen besser bewältigen können.
Burnout-Prävention: Durch die Unterstützung bei der Bewältigung von Stressfaktoren kann die Beratung auch präventiv wirken und Burnout vorbeugen.
5. Förderung von persönlichem Wachstum und Selbstverwirklichung
Psychosoziale Beratung hilft Klienten, sich selbst besser kennenzulernen, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen und sich auf persönliches Wachstum zu konzentrieren. Sie fördert die Selbstverwirklichung und das Streben nach einem erfüllten Leben. Klienten werden zudem unterstützt, realistische und bedeutungsvolle Ziele zu setzen und Strategien zu entwickeln, um diese Ziele zu erreichen.
6. Verbesserung der sozialen Kompetenzen
Integration von sozialen Beziehungen: Sie fördert die Auseinandersetzung mit zwischenmenschlichen Beziehungen und sozialen Netzwerken, die entscheidend für das Wohlbefinden sein können. Klienten lernen, wie sie gesunde Beziehungen aufbauen und pflegen können.
Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten: Klienten lernen, wie sie besser mit anderen kommunizieren und Konflikte auf eine konstruktive Weise lösen können. Dies trägt zur Verbesserung ihrer sozialen Interaktionen bei.
Stärkung von Empathie und Verständnis: Die Beratung fördert das Verständnis für sich selbst und andere, was zu harmonischeren Beziehungen führt.
7. Unabhängigkeit und Empowerment
Ein zentrales Ziel der psychosozialen Beratung ist es, Klienten zu befähigen, ihre Probleme eigenständig zu lösen. Sie vermittelt ihnen die nötigen Werkzeuge, um in Zukunft autonomer und selbstbewusster mit Herausforderungen umzugehen. Die Beratung konzentriert sich ebenfalls darauf, die vorhandenen Ressourcen und Stärken der Klienten zu aktivieren, anstatt sich nur auf Defizite zu fokussieren.
8. Niedrigschwellig und präventiv
Zugang zu Angeboten: Psychosoziale Beratung ist oft leichter zugänglich als Psychotherapie und kann frühzeitig in Anspruch genommen werden, bevor sich Probleme zu ernsthaften psychischen Störungen entwickeln.
Prävention: Beratung kann präventiv wirken, indem sie dazu beiträgt, dass Klienten frühzeitig Lösungen finden, bevor sich grössere psychische Belastungen oder Erkrankungen entwickeln.